23. September 2011

Das Reisen – Zu Wasser oder zu Land?

Kategorie: Museumspädagogik, Unterwegs auf Zeitreise — Martje @ 11:42

Ja, bis in die moderne Zeit hinein ist bekannt, was die Wikinger so erfolgreich machte: die schnellen und auch transporttauglichen Schiffe! Von den Menschen der Wikingerzeit, die zu Hause blieben und ihr Land beackerten, erzählt heute keiner mehr. Allerdings merken die vielreisenden Ask und Embla immer wieder, das nicht jedes lohnenswerte Ziel einen günstigen Hafen hat. Letztens waren sie in Volkach, an der Mainschleife in Unterfranken. (Hier und hier ein paar Bilder.) Diese Stadt, die sich weit südlich in keltischem Gebiet befindet, hätte das Heidentheater tatsächlich auch per Wikingerschiff erreichen können, aber was für eine Strecke!

Frontansicht eines Wikingerbootes mit Drachenkopf am StevenDa würde man von Haithabu aus erst einmal über Land nach Westen reisen, nach Hollingstedt. (Ins “Hollinghuus” müssen wir auch noch einmal ganz dringend!) Das ist nämlich der nächstgelegene Nordseehafen für Wikinger. Hollingstedt liegt zwar nicht an der Nordsee, aber an der Treene, und auf der geht die Schiffsreise los. In der Nordsee angekommen, biegt man dann links ab und fährt so sutsche die Küste entlang nach Süden. (Wenn Ihr an Rungholt vorbeifahrt, seid Ihr falsch abgebogen – das liegt weiter nördlich!) Zwischen der Deutschen Bucht und Helgoland gut kurshalten, so dass man schließlich entlang der ostfriesischen Küste segelt. (Nach dem Jadebusen braucht Ihr nicht zu suchen, der ist noch nicht erfunden.) Irgendwann muss man links in das Rheindelta abbiegen und den Rhein flussaufwärts fahren bis zu einer Stadt, die früher Mogontiacum genannt wurde. Das hört sich schon ziemlich keltisch-römisch an! Dort biegt man links in den Main ein und gelangt trotz seines bogigen Verlaufs immer weiter nach nach Osten, bis man in Volkach ankommt.

Geht das nicht einfacher??? Kann nicht mal jemand schnell die Straße erfinden? Wege gibt es ja schon ewig, zum Beispiel den Ochsenweg. In ihrer Zeit können Ask und Embla ihm erst einmal bis zur Elbe nach Süden folgen, und er sieht zur Wikingerzeit ungefähr so aus:

Miniaturmodell eines unbefestigten Weges, auf den Menschen mit einigen Tiere durch die flache Landschaft reisen

(Diese Perspektive eröffnet sich knieenden Betrachtern vor einer Vitrine im Museum am Danewerk, dessen Träger die Sydslesvigsk Forening ist – sehr zu empfehlen!)

Da ist es gut vorstellbar, dass Landreisen auf diesen Wegen noch unbequemeren waren als schaukelige Schiffsreisen – holterpolter oder modderquodder…

In der modernen Zeit gibt es die Strecke des Ochsenweges immer noch, sie ist jetzt alsphaltiert und heißt A 7! Und da das Heidentheater zeitreisefähig und praktisch veranlagt ist, ist es schließlich mit dem Auto von Neunholz über die A 7 von Schleswig-Holstein bis weit in den Süden nach Volkach gefahren.

Aber eigentlich ist das geschummelt! Echte Wikinger fahren nicht einfach Auto! Schließlich gibt es auch für kleine Wikinger soooo tolle Wagen, so wie diesen hier beispielsweise:

kleiner Bollerwagen mit einem Wikingerzelt als Verdeck

Oder diesen hier:

kleiner Handkarren mit Decke als Verdeck

Dass der Ochsenweg jetzt überall astphaltiert ist, stimmt so natürlich nicht, aber dazu demnächst mehr. Im Moment wird in der Heidenkate jedenfalls darüber nachgegrübelt, wie kleine Wikinger standesgemäß und nicht zu unbequem zu ihren Reisezielen gelangen. Wartet es ab!

Nachtrag:
Inzwischen sollte hier eigentlich noch ein Foto von einem kleinen Wagen mit Wikingerzeltaufbau erscheinen, aber da hatte wohl Loki die Finger im Spiel – anstatt auf dem PC geladen zu werden, wurden die Fotos gelöscht. :-/
Als Trost: Man trifft sich immer zweimal, und dann werden neue Fotos gemacht!

20. Juli 2010

Bei den Stickerinnen von Lindholm Høje

Kategorie: Unterwegs auf Zeitreise — Martje @ 21:51

Ask und Embla waren vor kurzem in Lindholm Høje auf einem Wikingermarkt. Die beiden waren vorher noch nie in Dänemark, und so war alles sehr aufregend für sie! Das Willkommen dort war äußerst herzlich und die beiden fanden schnell Freunde. Vom Schmied bekamen sie einen wunderschönen Thorhammer geschenkt, als sie mit nur sehr wenig Dänisch und etwas Englisch die Geschichte erzählten, wie der Hammer des Thor von den Zwergen geschmiedet wurde.

Während Ask noch etwas mit dem Schmied fachsimpelte, schaute Embla in die große Jurte hinein. In diesem Rundzelt, das alle auf dem Martkt “Valhal” nannten, saßen die Stickerinnen.

Embla bei den Stickerinnen

Seit vielen Jahren sind sie dabei, den Teppich von Bayeux nachzusticken. Die Teile, die schon fertig sind, hängen an den Wänden zum Betrachten aus. Da die Frauen die Motive auf lange Stoffbahnen sticken, liegt ein Teil der Arbeit aufgerollt auf den Tischen. Klar, dass in dieses Zelt niemand mit Getränken oder Speisen hinein darf! Fragen von Besuchern werden geduldig beantwortet, und mehrmals täglich gibt es Vorträge zu den Bildern und zur Arbeit.

Stickerinnen bei der Arbeit

Embla sucht gleich nach ihr bekannten Szenen wie beispielsweise die Abbildung des Gelages mit den Trinkhörnern- und findet überraschend äußerst pikante Darstellungen! Was macht der Nackidei denn dort neben dem irminsulartigen Ding?

Bild mit Gelageabbildung Embla betrachtet eine Abbildung genauer

Vorzeichnungen auf dem SticktuchDie Stickerinnen, die auf den Tischen vor sich Bücher mit Fotos des Original-Teppichs haben und jeden Stich mit diesen Abbildungen abgleichen, erzählen: Schon einmal wurde der Teppich nachgestickt, allerdings in einer recht prüden Zeit. Die Abbildungen der Nackideis sind im Original tatsächlich vorhanden. Bei der Nachstickerei damals hätten diese Figuren – schwuppdiwupps – Kleidung übergestickt bekommen, denn damals im Viktorianischen Zeitalter war diesbezüglich Schluss mit der Originaltreue…

Historiker berufen sich immer wieder auf diese Bilder, die die Eroberung Englands mit der Schlacht von Hastings darstellen, denn sie zeigen viele Einzelheiten aus dem Leben dieser Zeit. So werden Gebäude, Schiffe, Ausrüstungsgegenstände und Werkzeuge, Schwerter und Axtformen sowie Gebräuche auf diese Abbildungen zurückgeführt.

Unter und über den “erzählenden” Bildern sind viele kleine Details zu sehen. Embla gefällt der Streifen mit Motiven über Feldarbeit mit Pflügen, Säen, Eggen und Saatbewachung. Dieser wichtige und wohl auch den vanischen Göttern zugeordnete Aspekt findet auf mittelalterlichen Veranstaltungen, die das Heidentheater durch seine Zeitreisen kennt, zwischen Kampfschau und Handwerkskunst kaum Beachtung.

Feldarbeit

Was gibt es an den Rändern nicht alles für Tiere zu entdecken! Hier sind zwei Vögel ganz artig und wollen mal Wappentier werden, wogegen die beiden Vierfüßler anscheinend eine Karriere als verschlungene Greiftiermotive bei den Wikingern anstreben…

Stickmotiv Tiere

Hm, wenn der Teppich von Bayeux als historischer Beleg gilt, dann war die Fabel vom Fuchs und dem Raben (dieses Mal als dummes Tier) und das Erscheinungsbild von Trampeltieren anscheinend damals schon in der Normandie verbreitet.

Stickmotiv Fuchs und Vogel Stickmotiv Trampeltier

Stickmotiv Höhle voll mit TierenUnd worum geht es hier links wohl? Eine tierische Party mit der Höhle voll von Gästen oder der Albtraum bei der Suche nach Winterschlafplätzen?

Dagegen ist das hier unten doch der Traum einer jeden Reiterin (und es gab viele davon in Lindholm Høje):

Stickmotiv Pferdefrauen

Als Embla die Jurte mit den Stickerinnen wieder verlässt, findet sie Ask bei neuen Freunden ein paar Zelte weiter wieder. Endlich mal ein paar Wikinger, die von der Größe her zu Ask und Embla passen! Da sind die Sprachschwierigkeiten schnell vergessen…

kleine Wikingerpuppen neben Ask und Embla

Nachtrag: 2014 wurde der letzte Stich gemacht, nach 14,5 Jahren ist der Teppich fertig! Er ist in Børglum Kloster in Nordjütland zu besichtigen. Die Stickerinnen haben inzwischen eine eigene Seite über die dänische Kopie dieses Teppichs, auch in deutscher Übersetzung:
http://www.bayeuxtapetet.dk/tysk/

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